Eine große Gesprächsrunde zum Thema Unterbringung, Versorgung und Integration von Flüchtlingen fand am Mittwoch, 10. Dezember, im Beratungsraum in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) in Rudolstadt statt. Anlass war der Besuch der Thüringer Beauftragten für Integration, Migration und Flüchtlinge, Dorothea Storch und ihrer Stellvertreterin Annett Roswora. Landrat Marko Wolfram hatte zu dem Termin eingeladen. Bürgermeister Jörg Reichl und die Rudolstädter Integrationsbeauftragte Katharina Fritz vertraten die Stadt Rudolstadt. Die Neuen Nachbarn waren durch den gerade von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichneten Wolfhard Pröhl vertreten.
Petra Maar, Leiterin des Sachgebiets Asyl/Unterbringung im Landratsamt, stellte die Arbeitsweise ihres Teams vor und schilderte aktuelle Herausforderungen. Im Vergleich zum Jahr 2015 haben sich die Zahl der Ausländer im Landkreis auf rund 6.000 verdreifacht. Von ihnen sind 888 in Betreuung des Sachgebiets in den beiden Gemeinschaftsunterkünften in Rudolstadt und Saalfeld sowie in dezentralen Wohnungen in der Region. Maar plädierte klar für eine Unterbringung von neuen Flüchtlingen in Gemeinschaftsunterkünften. „Das ist viel besser zu organisieren und macht die Kosten kontrollierbarer“, so die erfahrene Leiterin. Eine große Sorge sei die Unterbringung von sogenannten „Fehlbelegern“. Das sind Geflüchtete mit einem Aufenthaltstitel, die aus unterschiedlichen Gründen keine Wohnung finden, obwohl sie zum Teil versicherungspflichtiger Arbeit nachgehen. Für diese Bewohner der GU entfällt die Finanzierung durch das Asylbewerberleistungsgesetz.
Der Landrat dankte Petra Maar und ihrem Team für die Bewältigung der schwierigen Aufgabe. Bürgermeister Jörg Reichl schloss sich diesem Dank an. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Flüchtlinge passe sich gut an und halte sich an Regel. Allerdings sorge ein kleiner Teil immer wieder für Unmut bei Nachbarn und in der Bevölkerung. Die Beschwerden reichten von Lärmbelästigung über Schulverweigerung bis zum mutwilligen Auslösen von Feuerwehreinsätzen, berichteten Landrat und Bürgermeister übereinstimmend. „Vor allem hat das Fehlverhalten in aller Regel keine Konsequenzen. Das verstehen unsere Bürger nicht“, sagte Reichl. „Unsere Sanktionsmöglichkeiten sind zu gering und entfalten keine Wirkung“, bestätigte Wolfram.
Sie warben bei Storch um Unterstützung für ein besseres Einwirken. Insbesondere die Gruppe der Roma mit Ukrainebezug als Fluchthintergrund erfordere einen extrem hohen Betreuungsaufwand, führten Maar und ihr Team aus. Es fehle an Tagesstruktur, Beschäftigungsmaßnahmen hätten kaum gefruchtet, selbst Bußgelder für Schulverweigerer führten zu keiner Verhaltensänderung. Eine Gesprächsrunde mit Renata Conkova, der Landesbeauftragten der Organisation RomnoKher in der GU im Mai 2024 hätten nur kurzzeitig zu Verbesserungen geführt, sagte Wolfram.
Storch und ihre Stellvertreterin Roswora hatten erwartungsgemäß keine Patentlösung im Gepäck. „Ich sehe bei der jüngeren Generation die größte Chance, ein Stück Integration zu erreichen“, sagte Storch, die als langjährige Bürgermeister und aktives Kreistagsmitglied den Bezug zur Praxis nicht verloren hat. Vertrauen und persönliche Beziehungen zu dieser Gruppe seien entscheidend, deshalb bat Storch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der GU um einen langen Atem bei ihrer Arbeit.
Im weiteren Gespräch wurden zudem Rechtsfragen zum Aufenthalt diskutiert. Maximilian Niedner, Leiter des Sachgebiets Ausländerwesen im Landratsamt, erläuterte an Beispielen die Themen Rückführung, Familienzusammenführung, aber auch Abschiebungen in Herkunftsländer oder Dublin-Staaten. Roswora brachte neue Information zur Änderung bei Ukraine-Flüchtlingen mit. Diese sollen künftig nicht mehr direkt Bürgergeld erhalten, sondern über das Asylbewerberleistungsgesetz versorgt werden. Die neue Regelung tritt im Sommer 2026 in Kraft und gilt rückwirkend für alle seit dem 1. April 2025 eingereisten Ukrainer.
Im Anschluss an die Gesprächsrunde besuchten die Gäste verschiedene Gebäude der GU. Die Mittagsversorgung und ein Kulturprogramm hatten die Bewohnerinnen und Bewohner zum Tag der Menschenrechte selbst organisiert.